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Position: Ein politischer Rahmen für die Dekarbonisierung der Stahlindustrie

30. September 2021 | Die Stahlindustrie bekennt sich zu den Pariser Klimazielen und will so schnell wie möglich Klimaneutralität erreichen. Dafür muss die Politik angesichts bestehender Investitionszyklen und langer Vorlaufzeiten schnell einen verlässlichen Rahmen für die Transformation der Stahlindustrie bereitstellen. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sowie der Neufassung des Klimaschutzgesetzes ist dieses Anliegen noch dringlicher geworden.

Das Erreichen von Klimaneutralität beim Stahl benötigt insbesondere einen Technologiewechsel in der Primärstahlproduktion. Mit der wasserstoffbasierten Produktion von direktreduziertem Eisen (DRI) steht ein Verfahren zur Verfügung, das technisch weitgehend ausgereift ist. Dadurch können bereits bis 2030 substanzielle CO2-Reduktionen erzielt werden. Um dies zu erreichen, müssen neue Infrastrukturen (Wasserstoff, grüner Strom) errichtet und ein Förderrahmen für die Anschubfinanzierung zum Ausgleich der Mehrkosten bereitgestellt werden, die sowohl mit der Errichtung als auch mit dem Betrieb CO2-armer bzw. langfristig CO2-neutraler Verfahren verbunden sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Technologiewechsel stufenförmig vollziehen wird und die internationale Wettbewerbsfähigkeit sowohl der traditionellen wie auch der neuen Verfahren über den gesamten Transformationszeitraum gesichert werden muss.

Mit der schrottbasierten Elektrostahlproduktion steht ein zweiter Baustein für eine klima­neutrale Stahlindustrie bereits zur Verfügung. Auf ihn entfällt bereits heute ein Anteil von 30 Prozent an der Gesamtproduktion. Mit CO2-Emissionen (Scope 1) von – einschließlich der Weiterverarbeitung – rund 0,2 t CO2 pro Tonne Rohstahl wird Stahl über dieses Verfahren bereits heute relativ CO2-arm erzeugt. Weitergehende substanzielle CO2-Reduktionen sind hier vor allem bei den indirekten (Scope 2) Emissionen durch den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energie zu bezahlbaren Preisen möglich. Durch CO2-freien Strom können die indirekten Emissionen der Elektrostahlroute um zwei Drittel gesenkt werden. Insbesondere aufgrund der begrenzten Menge an Stahlschrott kann der Anteil der schrottbasieren Stahlproduktion an der Gesamterzeugung jedoch nicht unbegrenzt gesteigert werden.

Klimaneutralität in der Stahlindustrie kann nur mit grünem Wasserstoff erreicht werden. Hier entfaltet der Einsatz von grünem Wasserstoff auch die größte Wirkung zur CO2-Reduktion. Gelingt es, bis 2030 ein Drittel der Primärstahlproduktion auf die wasserstoffbasierte DRI-Produktion umzustellen, könnten pro Jahr CO2-Reduktionen von 17 Millionen Tonnen (-30 Prozent gegenüber 2018) erzielt werden. Weitere CO2-Einsparungen können durch Maßnahmen im bestehenden System (z.B. Erhöhung des Schrottanteils, Einsatz von Eisenschwamm oder auch Wasserstoffeinblasen im Hochofen) erzielt werden.

Als großer Nachfrager mit der Fähigkeit zur flexiblen Aufnahme von grünem Wasserstoff kann die Stahlindustrie zudem mit nur wenigen Standorten einen entscheidenden Beitrag zum Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft liefern. Solange ausreichend grüner Wasserstoff auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung steht, können für den Einstieg und Übergang auch Erdgas in der Direktreduktion eingesetzt und so bereits zwei Drittel der Emissionen eingespart werden. Nachfrageseitig kann der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft auch unterstützt werden, indem vorübergehend Wasserstoff im Hochofen eingesetzt wird, um Technologieentwicklung der Wasserstoffwirtschaft und Kostendegressionseffekte schon in der ersten Hälfte der 2020er Jahre zu fördern.

Stahl steht am Beginn einer Vielzahl von industriellen Wertschöpfungsketten. In wichtigen stahlintensiven Investitions- und Konsumgütern wie Automobilen oder Haushaltswaren entfällt ein Großteil der Gesamtemissionen, die während des Lebenszyklus anfallen, auf den CO2-Ausstoß in der Herstellungsphase und damit den Materialeinsatz. Die Transformation der Stahlindustrie bietet somit die Möglichkeit, in der gesamten industriellen Kette die gewünschte Dekarbonisierung umzusetzen.

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Porträtfoto Gerhard Endemann, Leiter Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik bei der WV Stahl
Ansprechpartner Gerhard Endemann Leiter Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik +49 211-6707-456 gerhard.endemann@wvstahl.de