Neugeregelte EU-Safeguards treten in Kraft – Gefahr einer Stahl-Importkrise nicht gebannt
Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt treten heute neue Regelungen für die EU-Schutzmaßnahmen im Außenhandel in Kraft. Die EU-Mitgliedsstaaten hatten am 12. Juni einem Vorschlag der EU-Kommission zur Anpassung der sogenannten EU-Safeguards zugestimmt. Der zentralen Forderung der Stahlindustrie, die Kontingentmengen zu reduzieren, um eine erneute Stahl-Importkrise zu verhindern, ist man nicht nachgekommen. „Die EU-Kommission hat bei der Anpassung der Schutzmaßnahmen im Außenhandel nicht im erforderlichen Maß die konjunkturelle Situation in Folge der Corona-Pandemie berücksichtigt. Die EU-Safeguards verfehlen in dieser Form ihr angedachtes Ziel, die Stahlindustrie in Europa und die damit verbundenen Wertschöpfungsketten vor gravierenden Schäden zu bewahren“, bewertet Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, die geänderten Maßnahmen.
Die Corona-Krise hat die Stahlnachfrage in Deutschland, aber auch weltweit drastisch einbrechen lassen. Während die Stahlunternehmen in Europa ihre Produktion krisenbedingt angepasst haben, wurde in anderen Regionen weiterproduziert oder die Stahlerzeugung teilweise noch weiter ausgebaut. Diese Mengen drohen nun weiterhin Europa zu überschwemmen. „Die EU-Kommission muss jetzt andere Wege und Mittel finden, um eine erneute schwere Importkrise auf dem EU-Stahlmarkt zu verhindern. Wir erwarten, dass die Entwicklung der Stahlimporte eng überwacht und bei ersten Anzeichen einer Verschärfung der Importsituation Maßnahmen ergriffen werden, um die Stahlindustrie zu schützen“, so der Verbandspräsident.
Auch mit Blick auf die Mammutaufgabe der Transformation der Stahlproduktion hin zu CO2-armen Verfahren, ist ein wirksamer Schutz im Außenhandel unverzichtbar. Dazu Kerkhoff: „Ohne ausreichenden Schutz vor Dumpingimporten und Handelsumlenkungen wird die Stahlindustrie nicht in der Lage sein, die gewaltige Aufgabe der Transformation, besonders vor dem Hintergrund der schweren Wirtschaftskrise, meistern zu können. Damit ist das zentrale Ziel des Green Deals, die Etablierung einer klimaneutralen Wirtschaft in Europa, in ernsthafter Gefahr. Denn erst die Umstellung auf CO2-arme Stahlproduktionsverfahren ermöglicht es stahlverarbeitenden Industrien, klimaneutrale Produkte für die Endverbraucher herzustellen.“
Um bei der Bewältigung der für die Stahlindustrie zahlreichen und komplexen Herausforderungen entscheidende Schritte voranzukommen, braucht es aus Sicht der WV Stahl eine ganzheitliche Betrachtung, in der die verschiedenen Einzelmaßnahmen miteinander koordiniert und zu einem schlüssigen industriepolitischen Gesamtkonzept zusammengefasst werden.