Halbjahresbilanz der Stahlproduktion in Deutschland 2024 – Leichte Erholung im ersten Halbjahr
Berlin, 17. Juli 2024 | Die Stahlproduktion in Deutschland zeigt im ersten Halbjahr 2024 eine leichte Erholung, nachdem im letzten Jahr ein historisch niedriges Niveau erreicht wurde. Die Rohstahlerzeugung stieg in den ersten sechs Monaten um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und lag bei 19,4 Millionen Tonnen.
„Die Rohstahlproduktion scheint das tiefste Tal durchschritten zu haben. Fraglich ist jedoch, wie nachhaltig diese Entwicklung ist. Denn auch nach 2023, dem nachfrageschwächsten Jahr seit der Finanzkrise, fehlen der Stahlindustrie noch immer dringend benötigte Nachfrageimpulse der wichtigen stahlverarbeitenden Branchen“, so Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, über die aktuelle Situation. „Insbesondere der Maschinenbau, die Automobilindustrie oder das Bauhauptgewerbe kämpfen weiterhin mit einer schwachen internationalen Nachfrage, der Krise im Wohnungsbau und fehlenden Investitionen im Inland und in der EU.“
Grund zur Entwarnung bestehe deshalb nicht, erklärt Rippel. „Und das, aufgrund der im internationalen Vergleich nach wie vor zu hohen Energiekosten. Denn auch wenn die Strompreise gegenüber den Höchstständen der vergangenen beiden Jahre zurückgegangen sind, sind sie immer noch doppelt so hoch wie vor der Krise und vor allem – und das ist ja in der aktuellen Situation entscheidend – weit über dem Niveau anderer Länder wie den USA und China, aber auch Frankreich oder Spanien“, so die Verbandschefin. Die Verstetigung der Stromsteuer-Senkung und die Verlängerung der Strompreiskompensation – wie in der Haushaltseinigung vorgesehen – seien zwar wichtige Signale für die Unternehmen. „Doch die seit Anfang des Jahres explosionsartig gestiegenen Netzentgelte sind eine erhebliche Belastung für die Unternehmen, die dringend eine nachhaltige politische Lösung braucht“, betont Rippel. Die zeitliche Streckung der Kosten über ein Amortisationskonto könne hier ein entlastender erster Schritt sein. Langfristig müsse die gesellschaftspolitische Bedeutung der Energieinfrastruktur allerdings eine Entsprechung in der haushalterischen Betrachtung finden. „Im besten Falle sollte der Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten wiedereingeführt werden. Denn das käme allen Netznutzenden zugute – vom Privathaushalt über kleine und mittelständische Unternehmen bis zu den stromintensiven Industrien“, erklärt die Hauptgeschäftsführerin.
Trotz der schwierigen Strompreis-Situation konnte die Elektrostahlerzeugung im ersten Halbjahr um 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zulegen. Im Juni 2024 steigerten die Elektrostahlproduzenten ihre Produktion um fast 21 Prozent im Vergleich zu einem allerdings äußerst niedrigen Wert im Vorjahresmonat. Im Jahr 2023 war die Produktion massiv eingebrochen, was nicht zuletzt an den krisenbedingten Höchstständen bei den Strompreisen lag.
in 1.000 t | Veränderung zum Vorjahresmonat | in 1.000 t* | Veränderung zum Vorjahreszeitraum* | |
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Rohstahl gesamt | 3.187 | 8,9% | 19.360 | 4,5% |
Oxygenstahl | 2.173 | 4,1% | 13.475 | 2,7% |
Elektrostahl | 1.014 | 20,8% | 5.885 | 8,7% |
Roheisen | 2.007 | 4,4% | 12.442 | 2,7% |
Warmgewalzte Stahlerzeugnisse | 2.771 | 6,7% | 16.718 | 3,0% |
Quelle: WV Stahl | *Januar bis Juni |
Zur Information:
In Deutschland wird Stahl im Wesentlichen über zwei Verfahrensrouten produziert: etwa 70 Prozent der Gesamtmenge als „Primärstahl“ auf der Hochofenroute, rund 30 Prozent als „Sekundärstahl“ auf der recyclingorientierten, schrottbasierten Elektrostahlroute. Bei der Hochofenroute (auch integrierte Route genannt) wird Roheisen aus Eisenerzen im Hochofen erzeugt, welches anschließend im Sauerstoffkonverter zu Rohstahl verarbeitet wird. Bei der Elektrostahlroute wird durch Recyceln von Stahlschrott im Elektrolichtbogenofen Rohstahl hergestellt.
Die Wirtschaftsvereinigung Stahl ist die Stimme der Stahlindustrie in Deutschland, die sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2045 klimaneutral zu produzieren – und damit ein Drittel der gesamten industriellen Treibhausgasemissionen einzusparen. Der Verband mit Hauptsitz in Berlin macht sich für einen politischen Rahmen stark, der einen klimaneutralen und auch in Zukunft starken Stahlstandort möglich macht. Mit 35,4 Mio. Tonnen im Jahr 2023 weist Deutschland die größte Stahlproduktion Europas auf.